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Reißiger Vorstadt (Holocaust-Denkmal), Stadt Plauen, Vogtlandkreis, Sachsen

PLZ 08525

GPS 50.530272, 12.110339

Denkmal-Nr.: 09247342
Im Jahr 1884 gründeten Plauener Juden eine israelische Gemeinde. Juden aus anderen vogtländischen Orten schlossen sich an. In der 1905 behördlich festgelegten territorialen Einteilung der israelischen Religionsgemeinden erstreckte sich die jüdische Gemeinde Plauen in etwa auf das Gebiet des heutigen Vogtlandkreises.

Seit Gründung der jüdischen Vereinigung bestand das Streben nach einem eigenen Synagogengebäude und einem eigenen Friedhof. 1898 kaufte die jüdische Gemeinde vom Kauschwitzer Rittergutsbesitzer Christian Erdmann Klopfer ein etwa 1,38 ha großes Waldgrundstück am Oberjößnitzer Weg in der Nähe des Tannenhofs. Etwa ein Drittel der Fläche wurde als Friedhof angelegt. Dem Gräberfeld zur Straßenseite vorgelagert entstand eine schlichte Feierhalle. 1899 erfolgte die erste Bestattung. Im Verwaltungsbericht der Stadt Plauen für die Jahre 1914 - 1923 werden bereits 70 Bestattungen gezählt. 1926 wird vor der Feierhalle ein Ehrenmal für die im ersten Weltkrieg gefallenen Gemeindemitglieder errichtet. Auch während des Zweiten Weltkriegs wurde der Friedhof genutzt, jedoch sind nicht alle Bestatteten namentlich bekannt. Ungeklärte Urnenüberführungen und heimliche Bestattungen sind Zeugnis von der Verfolgung durch das Naziregime. Nach dem Krieg wurde die Plauener Gemeinde wegen ihrer dezimierten Mitgliederzahl der Israelischen Religionsgemeinde Leipzig angeschlossen. 1950 nahm die Stadt Plauen den jüdischen Friedhof in ihre Obhut. In den Jahren 1987 -1988 wurde, auf Beschluss des Rates der Stadt Plauen und in Abstimmung mit der Israelischen Religionsgemeinschaft Leipzig, die Feierhalle in eine schlichte Gedenkstätte umgestaltet. ... Im Mai 2000 enthüllten ehemalige Plauener Juden einen Gedenkstein für ihre ermordeten Angehörigen. Die gesamte Anlage steht unter Denkmalschutz.
(Aus Friedhofswegweiser Plauen S. 25)

An der Stelle einer ehemaligen Kapelle auf dem Friedhof in der Reißiger Vorstadt von Plauen befindet sich ein kleiner, von Hecken umgebener Garten, dessen Grundriss an das 1945 bei den Bombenangriffen auf die Stadt zerstörte Bauwerk angelehnt ist. Ein schlichtes Holzkreuz erinnert an die Bombardierung.

Die Plauener Synagoge, sie stand an der Ecke Engelstraße/Senefelderstraße, wurde von einheimischen Nazis in der Reichspogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 in Brand gesetzt, zerstört und nie wieder aufgebaut.

Gegenüber dem Kreuz mahnt ein Gedenkstein, der den verfolgten, vertriebenen und ermordeten Juden gewidmet ist. Ein etwa zwei Meter großer hölzerner Davidstern ist von steinernen Resten einstiger Grabanlagen geradezu schützend eingefasst, während er den Blick nach beiden Seiten freigibt. In die linke obere Ecke ist das Erste Gebot gemeißelt, das im Juden- wie im Christentum gilt: "Ich bin der Herr dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir - 2. Mose 20/2". Rechts unten ist das Datum "1938 - 9. Nov“ zu sehen, der Beginn der Pogrome. In den Boden davor wurde eine Steinplatte mit den annähernden Umrissen des Staates Israel eingelassen. Das 1988 eingeweihte Denkmal geht auf eine Initiative des späteren Plauener Oberbürgermeisters und Bildhauers Rolf Magerkord und Ideen des Schwarzenberger Holzgestalters und Installationskünstlers Jörg Beier zurück. Ursprünglich sollte der Davidstern vor einer Ziegelwand stehen. Da jedoch in der DDR so schnell keine geeigneten Ziegel aufzutreiben waren, nutzte man Abbruchmaterial einstiger Grabanlagen aus Schiefer. Neben Beier und Magerkord waren Günter Vödisch und der Steinmetzmeister Hans Schneider am Bau des Denkmals beteiligt.

Dies war zu DDR-Zeiten ein bemerkenswerter Akt. Erst spät wurde in der offiziellen Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur des selbst ernannten Arbeiter- und Bauernstaates auch der jüdischen Opfer der Nationalsozialisten gedacht. Lange gab es in ostdeutschen Orten keine oder nur wenige sichtbare Zeichen der Erinnerung an einstige jüdische Gemeinden, an die Leistungen jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger beim Aufbau des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens in diesen Städten und Dörfern, die sie längst als ihre Heimat angenommen hatten, als sie von den Nazis und ihren willigen Vollstreckern zur Wurzel allen Übels erklärt, zur Verfolgung und Vernichtung freigegeben wurden.

Der Künstler Jörg Beier, Jahrgang 1946, war und ist einer der Vorreiter bei der Erforschung der Geschichte jüdischen Lebens im Erzgebirge und darüber hinaus. Er hat dies in vielen Ausstellungen und Kunstwerken dokumentiert und er scheute sich auch nicht, die Verantwortung angesehener einheimischer bürgerlicher Industrieller und Funktionäre jener Zeit zu benennen - etwa des Schwarzenberger Waschmaschinenfabrikanten, Förderers der Volkskunst und bekennenden Nazis Friedrich Emil Krauß. Jörg Beier hat umfangreiches Material über verfolgte jüdische Familien aus dem Erzgebirge und Vogtland gesammelt und zum Teil in Kunstwerken verwendet.

Das Holocaust-Denkmal auf dem Plauener Friedhof aus natürlichen Materialien erinnert daran, dass Menschen verschiedener Religionen, verschiedenen Glaubens (oder auch Unglaubens) ganz selbstverständlich miteinander lebten und noch immer leben können. Der hölzerne Davidstern gibt dem Gedenken und auch der Existenz des jüdischen Volkes etwas im Sinne des Wortes und des Materials Natürliches. Die ursprünglich der Not folgende Einfassung in steinerne Reste ehemaliger Grabstätten schafft sogar eine noch engere Verbindung zwischen dem Davidstern und seiner Umgebung, in der er gut aufgehoben ist. Das Denkmal steht damit vor allem für die Verbindung zwischen Menschen, die, unabhängig von ihrer Religion, politischen oder sonstigen Konfession, nicht nur im Tode alle gleich sind, sondern deren jedes einzelne Leben so wie der Davidstern von den ihn umgebenden Steinen immer und überall geschützt werden sollte. (Matthias Zwarg: Holocaust-Denkmal (1988) von Jörg Beier und Rolf Magerkord. FP 30.04.2021)

Inschriften:

(Oben Links)
ICH BIN DER HERR
DEIN GOTT
DU SOLLST KEINE
ANDEREN GÖTTER
HABEN NEBEN MIR
2. MOSE 20/2
(Rechts unten)
1938
9. Nov

Datum der Abschrift: 26.11.2021

Verantwortlich für diesen Beitrag: Alexander Broich
Foto © 2021 Friedrich Machold, Lengenfeld

 

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